WIDERSTAND PAPIER UND WIR BEATE HOFFMEISTER UND KATRIN VON LEHMANN





Die Assoziation zu Papier ist fast immer Geduld. Sollte nicht im Ausstellungstitel vorkommen, so hatten wir entschieden. Stattdessen „Widerstand Papier und wir“. Ein bißchen Reim muss sein. Was ist für uns eine ganz nahe liegende Eigenschaft des Papiers aufgrund unserer langjährigen manuellen Erfahrung bei der künstlerischen Arbeit ?, fragten sich Beate Hoffmeister und Katrin von Lehmann. Es „leistet“ Wider-stand. „Einmal unmittelbar, indem es sich sperrt gegen Falten, Zerschneiden, Zer-reißen, Punktieren, zum anderen indem es aufgehoben, gesammelt und nicht weg-geworfen wird“ schreibt Beate Hoffmeister. Aus trivialen Telefonbüchern produziert die Künstlerin (*1952, Essen) durch präzise Schichtungs- und Schneidetechnik mit dem Stapelschneider Objekte von hohem ästheti-schen Reiz. Assemblagen, Collagen und kinetische Werke lassen eine tastbare Sinnlichkeit erahnen. Vor unserem Zugriff sind sie durch Acrylglaskästen geschützt. Das feine Papier der Branchenbücher ver-wendet sie seit etwa 40 Jahren und dank des Kreativitätspotentials der Künstlerin entstehen immer noch überraschende Werke. Aktuell befasst sich die Künstlerin nur mit einer einzelnen Seite wie etwa bei „Haariger Haken“. Entsetzlich ist die Tat-sache unseres Papierverbrauchs in Deutsch-land, die jährlich 40.000 Fußballfelder Wald verschlingt wie Beate Hoffmeister recher-chiert hat.

Bei Katrin von Lehmann (*1959, Berlin) ist der Arbeitsprozess sehr komplex, da sie sich seit langer Zeit mit wissenschaftlicher Forschung auseinandersetzt. 2009 wurde die sog. „Augenbeobachtung“ von Meteor-logen für sie zur Inspiration. Wolken werden am Himmel studiert, deren Form lateinisch bezeichnet und in einem Beobach-tungstagebuch eingetragen. Die Künstlerin abstrahiert diese Vorgänge, fertigt Zeichnungen an, die sie chronolgisch reiht und faltet. Ganz ähnlich sehen ihre „Black outs“ aus (im Souterrain). Dabei zeigt sich das Wechselspiel von manueller Bewegung beim Zeichnen, Erinnerung und Empfindung bei dieser Tätigkeit, die sie widersprüchlich erlebt. Übersetzungsarbeit ist ihre Arbeits-weise. Dies sehen wir bei ihren Serien, besonders gut bei „Blick auf Vielfalt“. 2012 war die Künstlerin Gast der Max Planck Forschungsgruppe „Eine Wissensgeschichte der menschlichen Vielfalt im 20. Jahr-hundert. Dabei geht es um Visualisierung verschiedener Menschenrassen und somit um die Problematik eines enorm komplexen Sachverhalts. Katrin von Lehmann fertigt Bunststiftzeichnungen an, darüber schichtet sie gelochtes Papier. So sehen wir nur durch die runden Ausschnitte das Darunter-liegende. Forschungsergebnisse werden – einmal herausgepustet und gepostet – im öffentlichen Bewußtsein so fest verankert, dass sie sich nur schwer revidieren lassen. Ganz anders ergeht es „Bildresultaten“, die die schwere Last der Wissenschaft hinter sich lassen und uns durch ihre innewohn-ende Poesie bezaubern. Die Leichtigkeit des Papiers, wie sie von Beate Hoffmeister und Katrin von Lehmann benutzt wird verrät wenig von seiner widerständigen Eigen-schaft. Für uns als Betrachter entfaltet sich ohne jegliches Hintergrundwissen eine ganz individuell empfundene Augenweide.

Angelika Euchner im Januar 2020

Großes Dankeschön an Andy Kern für Layout der Karten und Poster sowie an Christian Fleming für technische Beratung und Hängung.


Ausstellung vom 7. Januar bis 15. Februar geöffnet: Mi - Fr 15 - 19 Uhr und Sa 12 - 16 Uhr
Zusatztermine nach telefonischer Vereinbarung
0178-6028210
a|e GALERIE Angelika Euchner
Charlottenstraße 13, 14467 Potsdam