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„Himmelblau statt Kohelbraun“

1. April verlängert bis 20. Mai 2021
mit 16 Fotografen + Objektkünstler


PRESSEMITTEILUNG
Jürgen liegt flach. Entspannt auf dem Rücken, unter ihm seine Luftmatratze. Kein Badeurlaub am Meer. Einfach nur Feierabend. Er lässt sich treiben auf dem Wasser einer Baugrube. Hinter ihm eine betongraue Ruine: Reste der Reaktorblöcke des AKW Stendal an der Elbe. Sollte das größte AKW der DDR werden. Bau im März 1991 eingestellt. Ohne Kern, ohne Kraft. Am Werk sind Männer wie Jürgen. Sie sollen alles abreißen. Die Arbeitsalltagswelt der Abbau-Ost-Männer war die Abschlussarbeit von JONAS LUDWIG WALTER an der Ostkreuzschule für Fotografie. Hier hat er vor zehn Jahren bei UTE und WERNER MAHLER studiert. 2019 trafen UTE und WERNER MAHLER Jupp am Rhein bei Duisburg 2019. Oder hieß er Georg? (sprich: Georch). Der rüstige Rentner sonnt sich. War lange genug unter Tage. Hinter ihm das Kraftwerk Walsum. Wird seit 2013 mit importierter Steinkohle gefüttert seit die Zeche zu ist. Soll billiger sein, meint Jupp. Zechen zu, Arbeitsamt auf. Man nennt das Strukturwandel. „Himmelblau statt Kohlebraun“ hinterfragt Denken und Handeln im Umgang mit Energiequellen. Was ist mit Umwelt- und sozialer Verträglichkeit? Dörfer werden wegen Braunkohle weggebaggert. Heimat und Landschaft zerstört. ROGER DRESCHER hat das Ausradieren von Horno in der Niederlausitz 2005 dokumentiert: Wartehäuschen einer Bushaltestelle steht nutzlos da. Kraftwerk Jänschwalde verschlingt Kohle und verpestet die Luft: 22.807.073 Tonnen CO² im Jahre 2018. Etwas weiter westlich waren URSI SCHIEGNITZ 2008 und LUCIA DIETLMEIER 2018 unterwegs. Durch die erste Flutung nach dem AUSGEBAGGERTSEIN entstand seit 2007 damals der Ilse-See und wirkt wie ein mit Wasser gefüllter Mondkrater. Die Abraumförderbrücke bei Dietlmeier schiebt sich unendlich lang durch die geschundene Landschaft. Ihre s/w Aufnahmen hat sie selbst in der Dunkelkammer entwickelt. THOMAS KLÄBER zeigt die ausgebeutete Braunkohlelandschaft im Winter und ihre Renaturierung mit Bäumchen in Reih und Glied bei Welzow von 2006 bis 2014. Dem tschechischen Fotografen MAREK KUCERA ist 2009 ein Bauer im rosa Outfit vor die Linse geraten. Jetzt, 2021, arbeiten noch 4500 Menschen in der brandenburg-ischen Braunkohleindustrie. In Sachsen-Anhalt bei Gräfenhainichen hat CHRISTINE S. BLOESS einen Schaufelbagger namens Big Wheel auf einem Raupenfahrzeug dunkel und gespenstisch inszeniert. Ihre Serie nennt sie „Strangers in the night“ 2009. Im Hambacher Forst, zwischen Aachen, Köln und Mönchengladbach hat JORDIS ANTONIA SCHLÖSSER ihre Langzeitreportage „Abgrund der mal Heimat war“ bereits 2002 als Studentin begonnen. Sie erlebte, wie manche Menschen voller Wut und Resignation, dort zweimal ihren Wohnsitz wegen Braunkohleabbau aufgeben mussten. Weltweit stammt fast die Hälfte der Emissionen aus Kohlekraftwerken. Ist Sonne und Wind die Lösung für unseren zunehmenden Stromverbrauch, wenn wir jede Nacht unsere Smartphone Akkus gedankenlos aufladen und tagein tagaus am Computer sitzen? WOJTEK SKOWRON entdeckte 2017 ein mit Graffiti beschmiertes Fundament eines Windrades in der Uckermark. Hier haben die ersten Windräder bereits ausgedient. KARIN MÜLLER-GRUNEWALD war Mitte März 2021 bei Nauen unterwegs. Wolkige Abendstimmung und moderne Windmühlen passen gut zusammen. Seit Jahren bekämpfen sich aber Umwelt- und Naturschutzverbände unversöhnlich, weil die 30 m langen Rotorenblätter jährlich den Tod von etwa 250 000 Fledermäusen verursachen und Rotmilane buchstäblich köpfen. Den fatalen Vogelflug in einer Windparkanlage in Mecklenburg-Vorpommern hat Müller-Grunewald 2014 beobachtet. Aus giftigem Epoxidharz werden Rotoren hergestellt. Was ist hier denn himmelblau oder ökologisch grün? PETRA WEIFENBACH mag die alten Windmühlen. Doch wegen des Klimawandels gerät „Holland in Not“. Der Mühle steht das Wasser bis zum Hals. Ein tragisch-komisches Motiv. Und Erdöl als fossile Energiequelle, vor Jahrmillionen aus Planktonalgen entstanden? SEBASTIAN WELLS war in Augusta auf Sizilien. Das liegt im Südosten bei Syrakus. Dort hat er mit den Bewohnern Gespräche geführt über Petrochemie, mafiöse Strukturen und Verwüstung ihrer Landschaft. Doch lieber „sauberen“ Billigstrom aus AKWs beziehen? ANDREE WEISSERT & MIA GRAU haben zusammen mit der Illustratorin HEIKE TROPISCH blau-weiße Porzellanteller entworfen. Kein Zwiebelmuster am Tellerrand, sondern rankende Symbole für Radioaktivität. Und mitten auf dem Teller prangt ein deutsches Atomkraftwerk in lauschiger Landschaft. Krümel auf Krümmel zum Frühstück. Eine Tellerkollektion mit 19 strahlenden Motiven. In wunderbarem Himmelblau. Beim petit déjeuner über unsere Energiequellen nachdenken ist doch eine gute Idee in den Tag zu starten.
Text: Dr. Angelika Euchner

Diese Ausstellung wird gefördert von Neustart Kultur.
Wir danken der Galerie Springer, Berlin, für die Zusammenarbeit und die Leihgaben von Sebastian Wells und dem Potsdam Museum für die Reproduktionsgenehmigung für die Fotografien von Roger Drescher. Großes Dankeschön an die Studierenden Christopher Kostka und Alina Schmiedgen von der FHP, die zu Braunkohle und Windparks recherchiert haben. Christian Fleming hat dankens-werterweise bei der Hängung unterstützt.

„Himmelblau statt Kohlebraun“

Ute und Werner Mahler, Jordis Antonia Schlösser, Jonas Ludwig Walter, Sebastian Wells, Thomas Kläber, Wojtek Skowron, Ursi Schiegnitz, Christine Sophie Bloess, Lucia Dietlmeier, Andree Weissert & Mia Grau, Petra Weifenbach, Roger Drescher, Marek Kucera, Karin Müller-Grunewald

Vernissage: Mittwoch 31. März 16 – 21 Uhr überstanden

Ausstellungsdauer: 1. April verlängert bis 20. Mai 2021

1. Mai und 13. Mai geschlossen

BEI LOCKDOWN SIND BÜRO-ÖFFNUNGSZEITEN ERLAUBT.

OHNE LOCKDOWN sind wir von Mittwoch bis Freitag von 15 bis 19 Uhr und Samstag von 12 bis 16 Uhr erreichbar. Wir bitten um telefonische Vereinbarung und die AHA-Regeln einzuhalten. VERANSTALTUNGEN:

26. April 19 bis 22 Uhr zu 35 Jahre Tschernobyl und 10 Jahre Fukushima. Uwe Fröhlich plant nachmittags eine Mahnwache auf dem Platz der Einheit. Wir projizieren ab 19 Uhr Fotos von Barbara Thieme, Andreas Müller und Klaus D. Fahlbusch ins Schaufenster und zeigen ab etwa 20 Uhr den Film „Als die Sonne vom Himmel fiel“ von Aya Domenig.

In Planung: Mitte Mai Vortrag von Matthias Körner zur Wasserproblematik in der Lausitz. Zu „Feldheim statt Fukushima - wie ein Bioenergiedorf in der Mark autark wurde“ suchen wir noch einen Referenten.


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Preview: Reihe Städteporträts /9 / Tunis

Petra Dachtler, Claudia Wiens und tunesische Fotografen

Vernissage: Freitag 28. Mai 16 – 21 Uhr

Ausstellungsdauer: 29. Mai bis 10. Juli 2021

Büro - Öffnungszeiten siehe oben aeuchner@mail.de