a|e GALERIE „Zwischen Zwangsquarantäne und Zukunftsträumen“
eine Zwischenbilanz im Jahre 2 der neuen Zeitrechnung

9. Oktober bis 19. November 2021

Vernissage: 8 Oktober von 17 bis 21 Uhr


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Seit März 2020, seit nunmehr 1 ½ Jahren sind wir alle weltweit einem hochpathogenen Erreger und seinen Mutanten (Mu-onkels) ausgesetzt, die zu ihrer Eindämmung von uns radikal eingeschränkte Lebensweisen abverlangen. Reisefreiheit gibt es nicht mehr und unsere neuen berührungslosen Beziehungen prägen den Umgang mit Freunden und Familie. Die „Permanenz des Ausnahmezustands“ (Walter Benjamin) hat unsere Arbeitswelt und Freizeitgestaltung zu tiefst erschüttert. Bedeutet die neue Normalität das Ende der Welt, wie wir sie kannten? Die ökonomischen und psycho-sozialen Auswirkungen sind noch lange nicht abzusehen. Emotional pendeln wir zwischen Apathie, Angst und Aggression, Hysterie und Hygieneregeln. Mit dieser Ausstellung spannen wir einen Bewegungsbogen vom kleinstmöglichen Radius bei einer Zwangsquarantäne, über die Alltagsmaskerade bis hin zum entfernten Horizont der Zukunftsträume. Diese letztgenannte Perspektive soll durch beflügelnde Motive der sieben beteiligten Künstler erst am Ende der Ausstellung geschaffen und präsentiert werden. Am Anfang stehen zunächst die Vorzeichen der viralen Katastrophe. Irene Anton hat sich schon seit 2010 mit der schrecklich-schönen Welt der Kleinsterreger beschäftigt. Ihr „pandemic nightmare“ hat sie seither in mehreren Variationen ausgestellt. Eine Dokumentation dazu, bunte Virenobjekte und eine großformatige Fotografie sind im Souterrain zu sehen. Ein ungewöhnliches Holzrelief des niederländischen Künstlers Bernard Divendal „Frame 6“ ist 2018 entstanden. Eine eingesperrte Figur scheint ihre Arme hilferufend aus einem Gehäuse zu strecken. Es wirkt heute wie eine Prophezeiung. Beret Hamann erkrankte an Corona während ihres Türkeiaufenthalts im September 2020. In einem kleinen Hotelzimmer in Trabzon an der Schwarzmeerküste musste sie zusammen mit ihrem Mann vier Wochen in Zwangsquarantäne. (Quarantäne ist eigentlich ein Zeitraum von 40 Tagen). So erlebten sie beide „Echoräume des Schocks“ (siehe die Anthologie von Franziska Richter, Dietz Verlag, 2020). Zum Glück gab es ein Fenster. „Zimmer mit Meerblick“ nannte sie ihr multimedial angelegtes Tagebuch. Es wird hier als eine Installation - das Hotelzimmer vereinfacht nachstellend - mit Fotografien, Aquarellskizzen und Videos im Souterrain veranschaulicht. Gerahmte Alltagsobjekte aus dieser Zeit vermitteln eine noch persönlichere Note. Hamanns Arbeit ist Schwerpunkt der Ausstellung.

Ute Manoloudakis betitelte ihre pandemiebedingte Serie mit „Aus der Stille “. Ihre neue Vorgehensweise erklärt sie in einem Video von Joachim Wolter, Februar 2021 entstanden. Manoloudakis musste gesundheitsbedingt ihre Kontakte seit März 2020 extrem einschränken und genau aufzeichnen. Nur ihre nahgelegene Umgebung hat sie bei Waldspaziergängen und im Park erkundet. Die Ruhe des Waldes hat ihr neue Energie vermittelt. Sie beschloss, ungrundierte Leinwände Wind und Wetter auszusetzen. Wasserflecken zogen tief in die Nesseloberfläche ein, Kiefernnadeln fanden ihren Platz. In Dripping Technik wurden von der Künstlerin Farbspritzer appliziert. Richard Rabensaat schreibt im Katalog „Aus der Stille“: „Aus der äußeren Stille wurde eine innere Ruhe. Dieser Dialog, die heilende Kraft der vegetativen Naturenergien, sollte sich auch in ihren Bildern niederschlagen. (…) Naturkräfte und -einflüsse sollten unmittelbar auf die Bilder einwirken.“

„Was ist“ ist der Titel des Fototagebuchs von Maia Kleinknecht. Darin hat sie drei Tage im Februar 2021 das Zusammensein mit ihrem kranken Vater in Berlin dokumentiert. Aber nicht als nüchterne Bestandsaufnahme, sondern in warmen Farbtönen sehen wir die Alltagsszenen und Stillleben in der Wohnung als auch die notwendigen Erledigungen in der bedrohlichen Außenwelt, bei denen sie ihren Vater begleitet hat. Nähe und Geborgenheit von Vater und Tochter offenbaren eine ganz besondere Beziehung. „Mitten in der Pandemie mit Krankheiten konfrontiert. Wir stellen uns nicht die Frage, was kommt? sondern eher zu sehen was ist?“ schreibt Maia Kleinknecht im Tagebuch. Ausgestellt war es bereits bei einer Pop-up Präsentation mit Studierenden der Weißensee Kunsthochschule Berlin vom 25. bis 28. März 2021 in der a|e Galerie. Der Fotograf Andreas Meichsner hatte das Seminar „Personal Pandemic“ im WS 2020/2021 geleitet und die Ausstellung hier kuratiert. Diesen September war Maia Kleinknecht nach langer Abwesenheit wieder in ihre bretonische Heimat nach Douarnenez gereist. Endlich ist ein Wiedersehen mit Freunden möglich und Entdeckungen bei Waldspaziergängen entlang der atlantischen Küste. Was kreucht und fleucht im Moos, zwischen den Farnblättern und was sieht man im Wasser? Nach langer Entbehrung sieht sie alles mit einem frischen, unverbrauchten Blick. Das Fototagebuch „Nadeln und Farne“ entsteht. Etwa 15 Fotografien hängt sie mosaikartig an eine Wand: Impressionen aus der Bretagne werden mit dem Tagebuch über den Vater kombiniert.

Rainer Ehrt fragt: „Was macht die Maske mit uns?“ Er gibt keine Antwort, sondern malt 2020 eine 6-teilige Serie „Maskenaffen“. Ausgewählt hat Angelika Euchner den Mandrill, der sich gerade den lästigen türkisen Mund-Nasenschutz anlegt. Eine weitere Farbe in seinem blau-roten Clownsgesicht. Verwandte des Mandrills, bestimmte Menschenaffen wurden von Coronaviren infiziert und haben sie nachweislich auf Menschen übertragen (Virale Zoonosen).

Oliver Zabel nimmt zu guter Letzt dem ernsthaften Thema die Schärfe und verzaubert uns mit seinen Miniaturwelten. In alten Streichholzschachteln hat er Motive wie Social distancing und Homeoffice als Hygienemaßnahmen minutiös nachgebaut. Auch der Streit ums Klopapier und Impfkampagnen der Senioren haben Platz in einer kleinen Schachtel. Oliver Zabel wird zusammen mit Rainer Ehrt während der Ausstellungsdauer kleinformatige Statements zu den „Eindämmerungs-verordnungen“ grafisch umsetzen. Neben der oben erwähnten Pop-up Präsentation zeigte die Galerie bereits die faszinierenden Keramikviren von Katrin Neubert im Winter 2019 in der Gruppenschau „laborARTorium“.
Potsdam, im Oktober 2021      Angelika Euchner